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    Alles wird gut. Berliner Frühling 1999

    Während an den Opern und Theatern der Hauptstadt “Bäumchen wechsle Dich” gespielt wird, bleibt die Kleinkunst standhaft. Erhält die “Großkunst” ihre Millionen weiterhin regelmäßig zugeteilt, muß die Kleinkunst schon erfolgreich sein, um weiterhin zu existieren. Nach Radunskis`s Pressemitteilungen des letzten Jahres zu urteilen, ist sie weiterhin nicht förderwürdig. Doch was in den letzten Monaten passiert ist, paßt nun auch in keine Schublade.

    Die Kabarettistin und Musikerin Popette Betancor wurde schon zu einer Diskussionsrunde vom Tagesspiegel eingeladen, um etwas Sinnvolles im Kreise von Theatermachern zur Kultur zu sagen. Die Kleinkunst hat nun endgültig ins Theater Einzug gehalten. Nach einigen erfolgreichen Versuchen scheint es jetzt zum regelmäßigen und guten Geschäft zu werden. Die Sterne des Berliner Unterhaltungshimmels treten nun im Hebbeltheater auf. Natürlich ist die Atmosphäre hier eine andere, Theater halt. Im Spiegelzelt ist der Gast schon vom Ambiente beeindruckt. Kleine runde Tische, kleine Stühle, am Rand Nischen, die man gern als Gruppe zusammen besetzt. Dazu gibt es eine Auswahl delikater Getränke und kulinarischer Kleinigkeiten. Wer dachte, daß dieses Ambiente zwingend zur Kleinkunst dazugehört, darf sich nun eines anderen belehren lassen. Spätestens seit Dezember 1998 hat das Hebbeltheater bewiesen, daß es noch etwas besseres als die beste Diva gibt. 4 Diven in einem Programm. Georgette Dee, Muron, Cora Frost, Popette Betancor folgten Horwitz, der beste Brel zur Zeit, glaubt man den Medien. Schon zum zweiten Mal sind die Geschwister Pfister mit ihrer musikalisch- theatralischen Schneewittchen-Collage “The voice of Snow white” zu gast. Die Koproduktion zwischen der Bar, dem Hebbeltheater und der Schaubühne unter Leitung von Johannes Roloff ist wieder ausverkauft.

    Das erinnert an die ständig ausverkauften Konzerte von Georgette Dee in der Volksbühne. Schaut man sich weiterhin das Programm der wichtigsten Berliner Häuser an, so fällt dem aufmerksamen Leser und Gast auf: Mary wurde in der Komödie am Kudamm wieder verlängert. Marlene ist wieder im Rennaisance-Theater, Pigor und Eichorn, Popette Betancor, Ars Vitalis u.a. sind wieder in der Bar jeder Vernunft. Die einzige erfolgreiche (Ost)deutsche der Szene, Wiebke Wiedeck, tourt und ist zum 3. Mal im Grünen Salon. Weitere bekannte Namen erfolgreicher und einfach nur oft aufgetretener Kabarettisten und Chansonsänger könnten an dieser Stelle folgen. Neue und junge gute Künstler, die keinen Terry Truck oder Mäzen kennen, haben es in der Berliner Szene beim Publikum und bei der Presse schwer. Meistens gar nicht erst beachtet, erscheinen nur wenige Pressemitteilungen oder kommen erst gar keine Journalisten zu den unbekannten Preisträgern anderer Städte. So traten erstmals und endlich das Duo Malediva in Berlin im Februar im Café Theater Scharlotte auf. Während sie in Köln und um Köln herum schon lange umjubelt werden, waren im selbigen Theater nur wenig Gäste. Ein Journalist oder zwei verirrten sich in das einstige oft gefüllte Theater der Kleinkunst. Annette Postel, ebenfalls eine Preisträgerin, trat im Januar im Grünen Salon der Volksbühne auf. Der Salon ist im Zentrum der Stadt, im Szene-Scheunenviertel gelegen. Deshalb verirrten sich zum kabarettistischen Chanson mehr Neugierige. Faßt man diese und andere Veranstaltungsorte zusammen, so fällt auf, daß es nun in unzählbar vielen Cafés und Veranstaltungsorten Chanson gibt. Immer mehr Schauspieler finden es tres chic, Chansons zu singen. Die Sternchen der letzten Jahre wiederholen sich und treten im Laufrad eines Hamsters. Premieren folgen ohne wirklich neue Stufen der Chansongeschichte zu erklimmen. Auch um die wirklichen Nachfolger wie Tanja Ries oder Boris Steinberg, Celina Muza, Carsten Golbeck, Christine Marquitan u.a. ist es still geworden. Zu kurz hält die Bekanntheit und Erinnerung nach einer der zahlreichen Premieren an. Bereits in Insiderkreisen spricht man vom schleichenden Tod der Berliner Chansonszene. Aber warten wir auf Romy Haag. Sie präsentiert im April das Berliner Cabaret, das neue Chanson im Tränenpalast. Eine erotisch-politische Cabaret-Show hat am 22. April Premiere. Romy Haag, eine der schillernsten Figuren des deutschen Show-Biz, treibt das frivole Nachtleben der Hauptstadt mit ihrem neuen Programm Cabaret Berlin auf den Höhepunkt. Die gute alte Romy kehrt zurück, schrill wie sie einst war. Mit ihr dabei sind Big Berta, Marcx Diavolo, Smoky Gun, Lola Li und Kathy Fox. Vielleicht zeigt sie den neuen Weg?

    Auch der Friedrichspalast versucht, aus den miesen Zahlen der letzten Jahre herauszukommen. Es scheint mit der neuen Revue Element zu klappen. Varieté in 3-D-Perspektive. Diese Illusionen werden möglich durch ein neuartiges 3-D-Verfahren “Eyeliner”. Maßgeschneiderte räumliche Effekte in gestochen scharfer Bildqualität bis zu 20 x 10 m groß sind die special Effects des Revuetheaters der heutigen Zeit.

    Schade, daß die kleine Revue, ein Kleinod im Hause des Friedrichstadt-Palastes, den Sparzwängen weichen mußte. Toni Weidl vom Showprojekt Berlin versucht hier u.a. mit Schall und Rauch, dem ausgefallenen Vocalquartett aus dem Jahre 1990, neues Leben einzuhauchen. Erinnert man sich an die professionellen Shows mit Künstlern des Palast-Ensembles, so wirken die Lieder im Stil der Comedian Harmonists eher veraltet. Zu oft schon waren die vielen “echten und unechten” Comedian Harmonists an den verschiedensten Bühnen der Hauptstadt zu sehen. Hoffentlich gibt es hier bald Neues und Spritziges.

    Naß wird es allerdings auch in der Berliner Varietészene. Nachdem das Chamäleon aus seinem verflixten 7. Jahr heraus ist, scheint es wieder lustig zu werden. Während die altbekannten Lovely Bastards etwas Neues in der bunten Wunderwelt versuchen, spritzen die Künstler und Künstlerinnen des Chamäleon Varietés gewaltig. Mit ihrer Premiere am 3. April kann man von einer gelungenen Symbiose aus romantischen Bildern, atemberaubender Körperkunst, beeindruckendem Lichtspiel und sinnlicher Live-Musik sprechen. Schade, daß das kulinarische Ambiente vollkommen fehlt. “Luna AquaMarin” erzählt wortlos die Geschichte der Ruhe, geboren aus dem Wasser. Damit ist dieses Programm für Berlin-Touristen unschlagbar das beste und verständlichste.

    Ein neuer Weg? Geht es bergauf oder bergab. Wie wird die Berliner Kleinkunstszene ins Jahr 2000 gehen? Warten wir es ab. Für Überraschungen war Berlin schon immer bekannt.

    Redaktion: Yvonne Helmbold


    Termine:

    Wintergarten-Varieté: bis 20.06.99 „SPRING TIME“ Regier: Bernhard Paul, ab 25.06.99 (Premiere) bis 01.08.99 Max Raabe und das PALAST ORCHESTER

    ufa-Fabrik: 09.-20.06.´99 Carsten Golbeck Chansons „Ich glaub ich kann fliegen“,

    12.06.´99 Tag der offenen Tür in der ufa-Fabrik, 18.-20.06 Anne Heigis „Dancing in the Fire“ - Balladen und Rock, 21.+28.06.99 Theater der Welt Berlin ´99

    Bar jeder Vernunft: 01.06.-13.06. Pigor & Eichhorn „Pigor singt, Eichhorn muß begleiten“ - Kabarett, ab 15.06.: Montezuma´s Revenge - a capella vom Feinsten

     

     

    1999-06-15 | Nr. 23 | Weitere Artikel von: Yvonne Helmbold





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