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    Die einen gehen ins Freudenhaus, die anderen auf die Straße

     

    Im kleinen Freudenhaus findet man ein Nummernkonto in Lichtenstein, nackt und keusch. Dann muß die Domina dem Kunden, einem ruppelartigen Arbeitgeber, die Lust auf Mitarbeiterentlassungen eben einpeitschen. Das Nummernprogramm mit Birgit Schneider, Hagen Henning und Alexander Wikarski scheint den politischen Nerv in Berlin zu treffen.  Auffällig ist sicher, daß nicht die Jugend in das politische Kabarett geht. Der durchschnittliche Besucher ist mindestens 30 Jahre alt, überwiegend sogar noch viel reifer. Die Kneifzange befindet sich seit November 99 im Haus der russischen Kultur und Wissenschaft in der Friedrichstraße, einem Relikt aus dem letzten Jahrzehnt des Sozialismus. Auch die  Kabarettisten zeigen ihre Herkunft deutlich.  Die bekanntlich ausgezeichnete Ausbildung  an der  Hochschule Ernst Busch in Berlin ist nicht zu übersehen. "Mein Gott Alter" ist ein weiteres Programm der Kneifzange, das dem wachsenden Heer an Politikern und Beamten in Berlin seine ungeteilte Achtung zollt.  Elegant und schnell bewegen sie sich durch Bundestagsdebatten und den Alltag des politischen Wahnsinns, live aus Berlin für Deutschland. Wie im Leben kann auch jedoch auch das Kabarett unter der Woche nicht immer vor vollem Haus spielen. Vielleicht ist das auch der Tribut, den man nach jedem Umzug zahlt. Vieles geht dann verloren, anderes neu gefunden. Im August wird die Kneifzange 45 Jahre alt. Bedenkt man, wieviel Kabarett, Off- und Varietébühnen Berlin seit den 20ern gesehen hat, müssen die Überlebenden viel Schweiß und Blut gezollt haben. Den zahlen sogar auch Künstler, die trotz der ständig abnehmenden finanziellen Mittel für Kultur in Berlin immer wieder mutig und voller Hoffnung in den Berliner Ring steigen.

    Am politischen Orte selbst, im Tränenpalast geht es weniger feinsinnig und politisch zu. Hier werden Tante Mimi-Geschichten von Kalle Pohl, bekannt aus der Samstag-Nacht RTL-Show 7 Tage 7 Köpfe, erzählt. Aus der Not macht der kleine Mann auf der großen Bühne die Tugend. Das honorieren die 40-60jährigen Ehepaare und Reisegruppen, der mit 9 Jahren angeblich in der Garage mit seiner ersten Solo-Show debütierte, mit großem Applaus und Mitmachaktivitäten. Während seiner " Nach Oben -Tour 2000" stellt Kalle Pohl seine frisch auf  CD gepressten deftigen Spacksprüche, mit extra  Bauernschläue gewürzt, vor.   Obwohl  es im Vergleich zum politischen Kabarett flach und banal wirkt, reizen die Sprüche des liebenswerten Künstlers über das Familienleben, den Urlaub, Sex, Rentner und Kohl dann doch die letzten Lachmuskeln. Sicherlich hat man den einen oder anderen Spruch schon mal woanders gehört, zum Glück ist das in dieser Branche nur zum Lachen.

    Vor dem Chamäleon steht man  nach 23.00 Uhr zur Mitternachtsshow in der Schlange. Direkt in den Hackeschen Höfen des Scheunenviertels ist hier am Wochenende noch Hochbetrieb. Hier stehen junge Leute nach Karten an. Erst wenn die "normale" Vorstellung von 20.30 Uhr beendet ist, wird Einlass gewährt. Die wohl bekannteste Varietébühne des Ostens in Berlin Mitte wagt mit einem spontan zusammen gestellten Programm den engen Kontakt zum Publikum. Während, wie immer einige Kunststücke weniger abwechslungsreich und überzeugen sind, brechen andere sofort den Bann. Ein Pantomime schwimmt sich im wahrsten Sinne des Wortes frei, Ein Inder Andrej und seine Frau Senja  geben zu bedenken, daß zu den 20000 indischen IT-Spezialisten noch 20000 Frauen und 80.000 Kinder folgen.

    Zum Schluß stehen fast unbemerkt die Zuschauer auf der Bühne. Der Vorhang fällt.

    Unweigerlich in den Bann gezogen wird man im Berliner Luftschloß von Topas. Der 1972 geborene Stuttgarter gestaltet seine Affairen so magisch, daß ihm das den Titel des Weltmeisters in Manipulation einbrachte. Das Berliner Publikum war vom schwäbischen Copperfield so erstaunt, daß es sogar manchmal das Klatschen verpasste. Der Psychologe auf der Bühne hat augenscheinlich sein Publikum so fest im Griff, wie seine regelmäßig eintreffenden Auszeichnungen.

    Preisträger einer anderen Kategorie erwarteten im Grünen Salon das Publikum im März und April. Vor ausverkauften Hause präsentierte sich Kitty Hoff, die 1997 und 1999 Preisträgerin des Bundeswettbewerbs für Gesang wurde, mit Chansons der "Goldenden Zwanziger" und Großstadtsongs. Genau die Mischung war es, die den Abend zum Erlebnis werden ließ. Mehrfacher Preisträger im Bereich Kabarett, Bodo Wartke rundet die Reihe der Preisträger verschiedener Kategorien des Bundeswettbewerbes1999 ab. Der erst 23jährige ist selbst im Trottoir (2/98) kein Unbekannter.

    Es gilt abzuwarten, was die junge Generation aus dem Patienten Kultur herausholen wird.

    Am 2. März 2000 wäre Kurt Weill 100 Jahre alt geworden. Im Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm wurde sein Werk, die Dreigroschenoper von B. Brecht uraufgeführt und sein größter Erfolg. Die alte und neue Chansonszene wäre ohne Lieder von Weill nicht vorstellbar. Wie die Bar jeder Vernunft in ihrem Programmbrief hinwies, hat das Deutsche Theater, kurz vor diesem Jubiläum die Dreigroschenoper abgesetzt. Dominique Horwitz, der mit seinem "Brel" viele Herzen der Berliner und seiner Besucher eroberte, springt in die Bresche. Am 22. März feierten die Berliner im Hebbeltheater seine Premiere. Erstaunlich, daß  80 % der Zuschauer junge Leute  unter 40 sind. Vielleicht hat sich aber auch herumgesprochen, daß die bekanntesten Lieder sehr modern präsentiert wurden, tw. Verjazzt, tw. In Bluesrhytmen. Dominique Horwitz begeistert, weil er selbst begeistert ist.

    Neues kurz gefaßt:

    Ein Neues Theater für Berlin! Eröffnung des Berliner Kriminal Theaters am 13.4.00. Nürnberger Str. 33, Berlin Wilmersdorf. (ehemalige Spielstätte der Wühlmause) Kriminalkomödie in fünf Akten von Robert Thomas mit: Matti Wien, Martina Erdmann, Brigitte Hube-Hosfeld unter der Regie von Wolfgang Hosfeld. Das neue Kriminal Theater garantiert mit seinen Aufführungen  knisternde Spannung, aufregende Unterhaltung und humorvolles Schaudern.


    "Kayassisine"

    Eines der wichtigsten Berliner Veranstaltungsorte im Berliner Tiergarten, den zukünftigen Regierungsviertel, mußte 1999 seine Zelte abbauen. Im Jahr 2001 soll dieser Traditionsort am Anhalter Bahnhof aufgebaut und neu eröffnet werden. Die Veranstaltungen der Reihe " Temporaire" sorgen dafür, daß man das Tempodrom im brodelnden Berlin doch nicht vergißt. Sicherlich für Veranstalter und Künstler interessant das neue Konzept zu erfragen: 030 4413019 Fax: 4425935.

    Temporaire 2000 präsentiert  in Zusammenarbeit mit "Berlin offene Stadt/Spielräume" und Berliner Festspiele: Les Arts Sauts "Kayassisine" ( laotisch "Zirkus") außer Sonntags und Montags 28.6.-15.7.00 und 8.7.00   20.30 Uhr

    Wo: Chapiteau, dem außergewöhnlichen Zelt am Anhalter Bahnhof, Stresemannstr. In Kreuzberg. Am Zelt-Himmel vereinen sich Musiker und Trapezkünslter in einer genre-und grenzenüberschreitenden Darstellungsform zwischen Zirkus, Musik und Theater.

    Redaktion: Yvonne Helmbold 


    Termine

    Bar jeder Vernunft (Premieren):
    9.6. Götz Alsmann, 16.6. Gayle Tufts, 15.9. Georgette Dee

    Luftschloß Schloßplatz: Helge Schneider, Tim Fischer, Herbert Knebel, Lisa Fitz (Terminierung kurzfristig)

    Theater Mehringdamm:

    Nina Hagen, Erwin Grosche, Django Edwards (Terminierung kurzfristig)

    Wühlmäuse:
    28.5.-12.6 Thomas Freitag - Kabarettvergnügen rund um das Thema Geld

    Grüner Salon:
    Die neue, lyrische Generation der Berliner Chansons " Bis aufs Blut" mit Anton Maise und Reinhild Kuhn : Juni 00

    Tränenpalast:
    Ab 1.6.00 Die Teufelsberger, Schrille Comedy aus Neukölln

    Zenner im Treptower Park:
    28.6.- 12.8.00 Mittwoch- Sonntag " Im weißen Rössl"

    2000-06-15 | Nr. 27 | Weitere Artikel von: Yvonne Helmbold





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