Die 1998 gegründete Initiative "Kleinkunst in der Regio Aachen" kann mit Stolz auf ihr erstes gelungenes "Westspitzen-Festival" zurückblicken. Statt einzeln um Zuschauer zu kämpfen und die Programme der angrenzenden Veranstalter skeptisch zu beäugen, entstand eine Freundschaft und gute Kooperation von sieben Veranstaltern westlich von Köln. Es fanden acht phantastische Abende mit unterschiedlichen Sparten und in Häusern mit unterschiedlichem Flair statt. So mancher Zuschauer lernte neue Veranstaltungsorte kennen und hat Lust auf das eine oder andere abendfüllende Programm bekommen. Fest steht, daß es in zwei Jahren das nächste Westspitzenfestival geben wird.
Altes Rathaus, Würselen
Im Alten Rathaus in Würselen startete das bestens besuchte Festival mit voller Power aus den Kehlen der "Füenf", "Maybebop", "Vocaleros" und der "Wise Guys", die dann auch die Westspitze in der Sparte A CAPPELLA gewannen. Andreas Etienne von der Bonner Springmaus konnte für die Moderation gewonnen werden und führte souverän durch den Abend. Die gut getroffene Auswahl der Gruppen, die nahezu gleichwertig herüberkamen, bescherten eine hohe Qualität, aber erschwerten auch die Wahl. Das Alte Rathaus bebte im A CAPPELLA Rausch bis in die Nacht und ein genialer Auftakt war gelungen.
Soziokulturelles Zentrum, Kerpen
Musikalisch, aber auch kabarettistisch ging es auch im soziokulturellen Zentrum in Kerpen zu. Sieger des Abends war Arnim Töpel mit seiner Erkenntnis "Sex ist (k)eine Lösung" und einer gelungenen musikalischen Kostprobe seines Könnens am Flügel. Sehr begeistert war ich von der vielfältig starken Michaela Drux und ihrem zarten Pianisten, dessen Kräfte sie schonte, indem sie ihn auf Händen zum Flügel trug. Bärbel Nolden und ihre "Heart Klaps Band" vermochte an diesem Abend weder mich noch das Publikum zu begeistern.
Eschweiler Talbahnhof
Männer auf die Bretter hieß das Motto des Eschweiler Talbahnhofs und die Westspitze Kabarett ging an das geniale Duo "Die Scheinheiligen". Mit rasendem Tempo, scharfzüngigem Humor, musikalischem Können und kritischen Blick auf Politik und Kirche wurde es eine knappes Rennen mit der "Buschtrommel". Die beiden Solisten Martin Maier-Bode (politisch, feinsinnig und wortgewandt) und Thilo Seibel (eher schwach und langatmig) hatten einen schweren Stand gegen die Gruppen.
Alsdorfer Cinetower
Im mit dicken Plüschsesseln ausgestatteten Alsdorfer Cinetower erlebte das Publikum Christoph Brüske. Mit einem Affentempo arbeitete er den Papst, Kohl, Schröder, Clinton, Juhnke und Gildo ab. Susanne Pätzold, von der ich auch andere Varianten kannte, setzte sich voll als "blondes Weibchen" in Szene. Die Lonely Husband war ein Bild für die Götter und ein herzhafter Schmaus für die Ohren. Die Westspitze in der Sparte Comedy erhielt jedoch "GANZ SCHÖN FEIST", die ebenso begeisterten und zum Abschluß mit ihrem Refrain "Sie will immer nur ficken mit mir", dann die entscheidenden Stimmen bekamen.
Töpfereimuseum Langerwehe
Beschaulich und pantomimisch ging es dagegen bei drei Schweizer Clowns im Langerweher Töpfereimuseum zu. Anda, zunächst Putzfrau auf einer Bühne, schlüpft verspielt mit Hilfe einer Maske in die Rolle einer großen Künstlerin. Mit einem Ausschnitt aus ihrem Programm "das Konzert" beweist sie eindrucksvoll ihr akrobatisches und mimisches Können. Einen witzigen Anfang präsentiert Clown Linaz, er versucht das "An" zu fangen, er ist ein im wörtlichen Sinn sprudelnder Quell, Mineralwasser kommt ihm aus Ohren und Nase. Mit seinem melancholischen Varietheater "Visa la Risa" und einem alten "Holländer" (Ziehkarren), tritt Calvero die Reise Richtung Venedig an und begeistert gleichermaßen Publikum und Juroren. Er gewinnt die Westspitze in der Sparte Clownerie. Etwas deplaziert fühlte sich hier das Duo Naseweiss, das in gewohnt gekonnter Weise mit viel Power, Stimme und Klamauk das Publikum in seine Nummern einbezog und begeisterte.
Komm, Düren
Im Dürener KOMM überzeugte Jo van Neelsen mit seinem Pianisten Clemens Kanka und Texten z.B. von Rainer Bielefeld und Friedhelm Kändler. Stimme, Mimik, Gestik und Auswahl der Texte bildeten eine runde Sache. Krips und Klimsch boten klassisches Chanson wie Kreislers "Tauben vergiften im Park". Tina Teubner hingegen riß mit Michael Reuter am Piano "alte Wunden auf" und gewann mit Bravour und ausschließlich eigenen Texten die Westspitze in der Sparte Chanson.
Kulturbahnhof Jülich
Ein eindeutiges Votum für die Westspitze Frauenkabarett erhielt Cordula Völker mit ihren bissigen Pointen, frechen Liedern und provokanten Themen ("Lesben sind häßlich") bei Publikum und Juroren im Kulturbahnhof in Jülich. Kara Pientka aus der Generation X, quasi Cordula Völkers Kind, bewies Phantasie und trockenen Humor z.B. in ihrer Darmzotennummer. Edith Börner verkündet ihre Sichtweise über die Männer: "Sie werden geboren, kriegen einen Bauch und sterben" und das Duo EXTRA2 schlägt vor, demnächst Billigkabarettisten aus den Ostländern zu nehmen.
Siegerin des Festivals
Unter der genialen Moderation des Schirmherrn Jürgen Becker gestalteten alle Spartensieger am 3. November im Haus der Stadt in Düren eine hochkarätige gelungene Abschlußgala des 1. Westspitzenfestivals. Publikum und Fachjury - u.a. Alexandra Kassen vom Senftöpfchen, Rita Baus vom Pantheon und Rolf Bührmann vom Kaiserhof-Theater - wählten eindeutig Tina Teubner zur Siegerin des mit 10.000 DM dotierten Preises. Hier noch einmal meinen herzlichen Glückwunsch! Qualität statt Kommerz war die Devise des 1. Westspitzenfestivals und es ist zu wünschen, daß dies auch für die Zukunft gilt, das Publikum honorierte es.
Neues aus dem Reich der Bubentiere von und mit dem Kabarett-Duo Schiffer/Beckmann
Glanzvolles Kabarett bot das Duo Schiffer/Beckmann am 14.11. im Aachener Jakobshof. Mit intelligenten, witzigen, entlarvenden Texten und einem hohen Grad an Musikalität begeisterten Ruth Schiffer und Barbara Beckmann das zahlreich erschienene Publikum.
Pseudo-Ratgeber Jürgen Fliege
Unter dem Motto "Voll der Gnade" widmeten sie sich u.a. der Lektüre von Fernsehpastor Jürgen Fliege. Passagen aus seinem Buch "Passen Sie gut auf sich auf" sorgten für schallendes Gelächter. Sie entlarvten Jürgen Fliege, als ahnungslosen Pseudo-Ratgeber mit Zitaten, die in ihrer Banalität kaum zu überbieten sind. Mit der Fliegenklatsche in der Hand zitierten die Künstlerinnen z.B. seine Lösung des Drogenproblems: Die Väter sollen sich nicht drücken, sondern den Drogenabhängigen drücken. So überlegen Ruth Schiffer und Barbara Beckmann sich immer wieder, wen sie am liebsten drücken wollen, z.B. den Papst, der trotz seines hohen Alters und schlechten Gesundheitszustandes mit Flugzeugen bis ans Ende der Welt transportiert und dort "in ein Stühlchen gehängt wird".
Allererste Sahne
Beste Beobachtungsgabe, gute schauspielerische Leistung, ein umfangreiches Wissen und eine klare Sprache zeichnet dieses Duo der Spitzenklasse aus. Soeben wurde ihr Programm mit dem "Reinheimer Satirelöwen 1998" ausgezeichnet. Blitzschnell wechseln Sie gekonnt die Rollen vom Bubentier, wie sie die Figur eines pubertierenden Jungen nennen, zur Loreley, vom Wissenschaftler zur Talkmeisterin mit niederländischem Akzent. Ihre Themen sind nicht die kleinen oder großen Partnerschaftsprobleme, nein sie beziehen politisch Stellung und sind parteiisch, z.B. gegenüber der Miniplaybackshow, der Kirche und der Bundeswehr. Sie singen, Barbara Beckmann spielt dazu am Flügel, "Dünne Weiber für dicke Leiber.... 80 Freier bei der Weihnachtsfeier" und benennen damit den Alltag eines Mädchens aus einem kleinen Polenstädtchen. Nach grzimekscher Manier demonstriert Barbara Beckmann die Entwicklung des "Bubentiers" an einem Beispiel. Rasender Applaus Das Publikum belohnte den Streifzug durch die "dummokratische Grunzordnung" des charmanten, musikalischen Duos mit rasendem Applaus und entließ die Kabarettistinnen erst nach der dritten Zugabe.
20 Jahre Aachener Fleddermäuse
Zum Jubiläum der einzigen Aachener Kabarettgruppe "Die Fleddermäuse" füllte sich das Audimax im Oktober und Dezember gleich viermal mit begeisterten Langzeit-Fans, aber auch angetanen "Newcomern". Die sechs Aachener Hobby-Kabarettisten begannen während ihrer Studienzeit mit dem Ziel die Welt zu verändern. Später sollte sich das Publikum einfach wiedererkennen und über die eigenen Unzulänglichkeiten lachen. Und das tat es auch an diesen Abenden gewaltig, als die Spitzen aus den vergangenen Jahren präsentiert wurden.
Gute Beobachtungsgabe
Da gab es z.B. die zum Kringeln dargebotenen drei Machos (knallhart Jürgen Fleuster), jeder mit einer anderen Masche, die Frauen zu erobern. Einblick in das Leben und Fühlen eines Mantafahrers gewährte Gründungsmitglied Manfred Hammers. Michele Offermanns und Bettina Groos begaben sich im Yogasitz auf die "Tour de Trance" und nahmen die "vollintellektuellen Grün wählenden Vegetarier" aufs Korn. Wer demnächst von Hünxe nach Aachen reisen will, sollte auf die geniale Hilfeleistung der sechs Fleddermäuse nicht verzichten. Die Musik wurde von Bernd Lausberg komponiert und mit der gebotenen Zurückhaltung am Keyboard gespielt. Einen wissenschaftlichen Einblick in den Aachener Dialekt mit anschliessender plastischer Umsetzung gewährten Wolfgang und Michele Offermanns. Sprachlich ausgefeilt und mimisch sowie darstellerisch gekonnt dargeboten, bewiesen die Fleddermäuse, daß auch im Westen der Republik mit Hirn und Herz und jeder Menge Spaß sehenswertes Kabarett entsteht. Wenn Sie auch durch ihre Berufe und Kinder in Aachen verwurzelt sind, so begeben sie sich doch von Zeit zu Zeit gerne auch auf andere Bühnen.
Wall Street Theatre
In "die letzte Kolonie" entführten Herr Schultze und Herr Schröder die begeisterten Zuschauer bei der Premiere am 10.12. im Alten Kurhaus Aachen. Im Exildienst Ihrer Majestät halten sie viele tausend Meilen vom Buckingham Palace entfernt auf einer ansonsten unbewohnten Insel wacker die Fahne des Empires hoch. Tagaus, tagein öffnen die beiden Kolonialherren pedantisch genau ihr Büro und führen Buch über die nicht vorhandenen Einwanderer. Einmalig: Englischer Humor verknüpft mit bester Comedy In diesem Südseespektakel verbindet das bekannte Comedy-Duo seine alten Tugenden wie Akrobatik, Jonglage und Klamauk mit englischen Vorlieben für Tea-Time, Hunderennen und Volkstänze. In individuell-imperialistischer Manier brachten sie "good old England" auf dieses verlassene Eiland im Archipel. Eine gelungene Produktion voller Klischees und schwarzem Humor, die kein Auge trocken ließ.
Kleinkunst bei den 2. "les-bi-schwulen" Coming-In-Tage
Am 10. Januar (bei Redaktionsschluß) starteten die zweiten Aachener "Coming-In-Tage" mit einer großen Gala in der Aula Carolina. Den Abend gestalteten die Kabarettistin Carolina Brauckmann, das Duo Thomas Hock & Francisco Rodriguez, der schwule Trierer Männerchor "Tuckett & die zwei Sybillen" und "Frauen in Szene". Zu den Organisatoren gehören neben sechs Aachener Vereinen die "Warmen Wellen", der schwule Männerchor, der im letzten Jahr nach vierjähriger Pause ein umjubeltes Come-Back feierte. Herzliche Grüße aus dem Kleinkunstfieber Helga Korthals P.S.: Carolina Brauckmann überzeugte mit ihren satirischen Lesbengesängen, Ausschnitten aus ihrer vierten CD "Lesben wie Du und ich". Leise, besinnliche, aber auch ulkige Töne boten "Tucket & die zwei Sybillen" aus Trier, besonders gut kam ein Rapp, akustisch und optisch ein Genuß.
Redaktion: Helga Korthals
Aachen, Jakobshof
20.3. Queen B "Wenn Du aufhörst, fang ich an"
Altes Rathaus Würselen
6.3. Tina Teubner "Nachtwut"
9.4. Springmaus Vorpremiere "Im Wendekreis der Maus"
16.4. Queen B "Wenn Du aufhörst, fang ich an"
7.5. FÜENF "Die schon wieder?!"
Stadthalle Alsdorf
19.3. Springmaus "Der Wahnsinn geht weiter"
KOMM Düren
27.2. Ars Vitalis
8.3. Voltz & Schmitz "Wo der Hammer hängt"
Haus der Stadt Düren
26.3. Herbert Knebel "Knebel on the Rocks
1999-03-15 | Nr. 22 | Weitere Artikel von: Helga Korthals