Und andere funny guys lieferten sich zur Jahreswende lustvolle und lustige Begegnungen auf Hamburgs großen und kleinen Bühnen. In Zeiten, da es wohl wenig zu lachen geben wird - glaubt man den Endzeitphantasien der Auguren für das "Katastrophenjahr 1999" probieren die berufsmäßigen Spaßmacher schon mal kabarettistisch und komödiantisch das Chaos, sorgen für befreiendes Gelächter - nicht nur bei der "Nachtschicht" im Staatstheater oder in der Komödie Winterhuder Fährhaus mit Neil Simons bewährtem Dauerbrenner. Wolfgang Spier und Michael Degen - zwei Könner ihres Fachs - frischen die angegrauten "Sonny Boys" wieder auf höchst persönliche Weise auf und machen den Clinch zweier alter Komödianten nicht ohne eine gehörige Portion subtiler Selbstirionie zum bravourösen Mimen-Duell.
Die Liederabende von Franz Wittenbrink im Hamburger Schauspielhaus - ob in der Kantine, auf der großen Bühne und nun auch im Zuschauerraum - hatten schon immer einen kabarettistischen Touch. Auch wenn der supermusikalische Spaß von feinerem Stoff und hintergründigerem Witz ist.
In seinen Revuen versteht der Musikmeister aller Stilrichtungen die Schwächen und Träume der Menschen hörbar zu machen, hinter manchen Klischees und dem verlogenen Schmalz der Schnulzen die wahren und verborgenen Sehnsüchte aufzudecken. "Nachtschicht" hatte einen Tag vor Silvester Premiere - wieder ein Knaller der poetisch humoristischen Art, der beim Publikum voll zündete. Im Zuschauerraum des Schauspielhauses ist nach Vorstellungsschluß der nächtliche Spuk los. Das Geister-Gretchen schwebt im zweiten Rang, Romeo irrt durchs Haus auf der Suche nach "Dschuliahh" und aus der Intendantenloge taucht eine Nixe auf. Zwischen sternfunkelndem Theaterhimmel und dampfendem Höllenkreis im Parkett entfesselt Wittenbrink auf Galerie, Balkon und Rängen der Menschen eitles Eifern nach Liebe, (höherer) Kunst und Macht. Ob Putzfrau oder Pizza-Bote, Regisseur, Inspizientin, Feuerwehrmann oder die zum Leben erwachte Marmorstatue: Sie alle sind liebenswerte Charaktere und zarte Karikaturen, meistern spielend den Querschnitt durch die Musikgenres von der Opernarie bis zum Volkslied, vom Chanson über Schlager bis zum Rock-Song.
Abgedrehte Typen fanden sich auch auf den Kabarett-Bühnen ein. Als "Funny Girls" begegneten sich zu Jahresbeginn Martina Brandl aus Berlin und Käthe Lachmann aus Hamburg auf den Schmidt-Brettern. Jede für sich eine komödiantische Wucht. Die eine bringt selbst den sonnig Hochgestimmten mit ihrer miesen Laune spielend auf den Nullpegel. "Ich sehe eben die Dinge, wie sie sind." Ihre Zunge hat den "schwarzen Herpes in Verbalkarate" . Und sie schlägt ebenso kräftig mit ihrer satten Stimme zu. Ob Carmen, Monroe oder Groenemeyer: Die Parodien sitzen präzise und ihre Texte spritzen Galle. Den Herren vergeht da eher schon das Grinsen als den Damen, die eindeutig auf deren Kosten auf ihre Kosten kommen. Betört die Brandel als rabenschwarze, phlegmatische Diseuse, belustigt Käthe Lachmann durch ihre clowneske Mimik. Sie stellt knallharte Karikaturen auf die Bühne, verzerrt gnadenlos ihre Imitationen aus dem (Fernseh)Alltag ins Groteske, um uns schließlich im Damenbaß mit "What a wonderful world" röhrend zu verklickern: So wunderbar ist diese Welt nun wirklich nicht. Das einzige Manko beim Rendevouz der "Funny Girls": Auf der Bühne kam es zu keiner wirklichen Begegnung der tollen Mädels für ein Sangesduo oder spitzzüngiges Duell. Das hätte man sich denn doch gewünscht!
Eine andere lustige Dame, Marlene Jaschke aus der Buttstraße, hat ihre notorische Hamburger Auftrittscheu für eine Solo-Show mit Liedern überwunden und ihre Fans mal wieder entzückt und überrascht: Zu einem guten Zweck (für die Aids-Hilfe Hamburg Leuchtfeuer) gab sie eine umjubelten Liederabend, den Marlene wegen des großen Erfolgs nun prompt am 7. und 8. März wiederholen muß. Die andere, die göttliche "wahre Marlene" Georgette Dee feiert ebenfalls im Tivoli Premiere mit ein neuem Programm. Die Diva präsentiert am 21. und 22. Februar "Evergreens - die Roten Lieder".
Ein verrücktes Typen-Kabinett verspricht die "Pension Schmidt" zu werden: Ab 4. März ist es endlich soweit: Startschuß für die monatlich wechslende Soap in der Kiez-Absteige. Für Klatsch und Klamauk sorgen Wirtin Cosima von Cattenstedt, Portier Bernhard Hofmann, ein paar flippige Dauergäste (Littmannn als Tratschtante) und wechselnde Durchgangsklientel. Im März gastieren noch im Schmidt Popette Betancor mit "Damenbart - Das Programm!" (21./22.3.) und der Schweizer Chansonnier Michael von der Heide mit "30 °" (29./30.3.)
Die komischen Kerle lassen sich von ihren Kolleginnen nicht an die Wand spielen: Als funny guys bieten sie ihnen mehr oder minder komisch, gekonnt und schlagfertig Paroli in Comedy. Detlef Winterberg spielte im Imperial Theater an der Reeperbahn "Das Schaf im Wolfspelz". Mit bester Stand up Comedy und Berliner Schnauze beglückt Winterberg sein Publikum, bringt es mit ausgefeiltem Mimik- und Gestenspiel zum Toben. Da könnte sich der Hamburger Sebastian Schnoy noch ein Scheibchen abschneiden. Seine Sketche - serviert im "Schlachthof" und im "Mon Marthe" - wirken noch ein wenig pennälerhaft. Doch der sympathisch linkische Comedy-Grünschnabel zeigt eigenes Narren-Talent und abgefeimte Tücke, wenn er die amerikanischen Trash-Shopping-Shows auf die Schippe nimmt oder den typisch deutschen Hausmeister Herbert und dessen Blockwartmentalität im Namen von Ordnung und Sauberkeit hämisch entlarvt.
Peter Vollmer wirkt gegen den schlacksigen Fool Schnoy wie ein alter gewiefter "Routinehase" mit seinen doch eher abgestandenen Männerwitzen, die er "Im Namen der Hose - XXL" aus derselben zieht. Beharrlich unter der Gürtellinie fingernd, beschäftigt sich Vollmer bei seiner Premiere in Alma Hoppes Lustspielhaus mit den Stolpersteinen der Liebeslust, den Problemen des Mannes mit "seinem liebstem Handy " und veröffentlicht lauthals die "Verlautbarungen des männlichen Zentralorgans". Potent und pointengeil kommt er saftig zur Sache, macht sich lustig über "Verkehrsunfälle" und andere Rohrkrepierer, bedient die Leute mit Sex, Gags und Rock n' Roll. "Nachts auf dem Männerklo um halbdrei" nach dem Hans-Albers-Ohrwurm wird sicherlich noch zu Vollmers Erkennungs-Hit.
Auch nicht gerade bierernst, doch gewohnt seriös und wunderbar böse nahm sich Matthias Beltz in seinem neuen Programm an den Kammerspielen "die sieben Weltbverbrechen" vor. Man kann sich nur wundern, wie der Supersatiriker beim "Notschlachten" seine kriminelle Energie schwarzhumorig in kabarettistische umsetzt - und dabei über das auslaufende Jahrtausend zu Gericht sitzt: "Alle Menschen haben kriminelle Energie, allerdings können einige damit bloß wenig anfangen." Beltz macht jedenfalls sehr viel daraus. In buntgescheckter Strickweste, der Narrenjacke des Biedermanns, richtet er als Justizwachtmeister Heini Kwiatkowski über den "Verbrechensstandort Deutschland". Urteilt aus dem "reichen Schatz seiner Vorurteile", der Heini. Vom Versicherungsbetrug kommt er auf Adam und Eva und die Schlange. Erklärt an Kain und Abel, wie das Verbrechen in die Welt kam. Und vefolgt dessen blutroten Faden von Elisabeths Schwesternmord an Maria Stuart bis zu heutigen Brandstiftern aus Fremdenhaß.
Beltz, einer der besten und klügsten Satiretexter der Nation, ebenso brillant wie dialektisch ausgebufft, weiß nur zu gut: "Wenn man sich mit Geschichte(n) beschäftigt, stößt man oft auf Ergebnisse, die schmerzen." Umso mehr Grund, messerscharf nachzustoßen. Und durch bizarre Gedankensprünge von einer Pointe auf die nächste zu kommen. Aber man muß schon höllisch aufpassen, besonders in den hinteren Reihen, will man die rasch weggebrabbelten Aparts noch mitkriegen. Ein toller Trick! So kommt Gemütlichkeit ("das deutsche Wort für Kultur") erst gar nicht auf. Dafür gedankenhelle Heiterkeit.
Das Gütesiegel für Klassekabarett. Nils Loenicker und Jan-Peter Petersen, die funny guys von Alma Hoppe, lassen sich mit ihrem neuen Programm "In vollen Zügen" noch etwas Zeit.
Vor der Premiere am 7. April feiern sie nämlich mit einem Festival vom 6. März bis 4. April den fünften Geburtstag von Alma Hoppes Lustspielhaus.
"Das hat nichts mit Ulrich Wallers Hamburger Kabarett-Festival zu tun. Wir haben die Leute für das tägliche Programm nicht eingekauft, sondern Alma Hoppes Großfamilie trifft sich zum Fest." Loenicker freut sich auf Henning Venske, Hans Scheibner, Werner Schneyder und besonders auf Karl Dall: "Mit ihm sind wir im Gespräch: Künftig will Dall zwei bis drei Wochen jährlich mit seiner Show in unserem Haus gastieren." Am 25. März kommt er wie alle anderen und ein paar Überraschungsgästen zur Großen Geburtstagsgala. Danach knöpft sich Alma Hoppe "In vollen Zügen" die Bundesbahn vor. Und auch das Leben kommt in vollen Zügen auf die Kabarett-Schiene. Philosophisch vom schnoddrigen Mitropa-Mann Petersen betrachtet und von Loenicker als zwanghaftem deutschen Schaffner in gestrenge Ordnungsbahnen gelenkt. Loenicker wird auch erstmals mit satririschem Nummernkabarett solistisch "fremdgehen" und musikkabarettistisch aufs Schlagzeug hauen. Achim Konejung gastiert im Mai mit "Feuer unterm Arsch" und Nessi Tausendschön bringt ihre Deutschland-Premiere "als "Königin von Deutschland" am 8. Juni im Lustspielhaus heraus.
Redaktion: Klaus Witzeling
Highlights aus dem Geburtstags-Programm von Alma Hoppe im Lustspielhaus:
9./10. 3. : Reiner Kröhnert "Honnis Rache"
11./12. 3: Die Distel: "Alle Brüder werden Menschen"
13. 3.: Werner Schneyder liest Werner Schneyder: Als ich noch
14. 3: Werner Schneyder liest Erich Kästner: Zeitgenossen haufenweise
16./17. 3.: Thomas Freitag BEST OF
18. 3.: Herrchens Frauchen: Das Betse aus 14 Jharen: Eine subjektive
Auswahl
20. 3.: Helmut Ruge & Bernd Stephan: Wenn die Spätzle Trauer tragen
21. 3.: Bonner Springmaus - Highlights
22. 3.: Martin Buchholz: Akte Icke II - Ein Alien packt aus
23./24. 3.: Karl Dall: Die Karl Dall Show
26. 3.: Matthias Beltz. Notschlachten
27. 3.: Franz Hohler: Wie die Berge in die Schweiz kamen
30. 3.- 3. 4.: Fast Food Theater München: Impro-Show