Wir haben einen verregneten Sommer hinter uns. Deutschland, Österreich, Tschechien und auch die Schweiz sind von Unwettern und Überschwemmungen nicht verschont worden. Als ob das alles nicht schon längst genug wäre, haben Künstler hüben und drüben ihre Aufführungen vielerorts auch noch ans oder sogar ins Wasser verlegt.
Die Sensation dieser Saison kommt wieder einmal von „Karl’s kühner Gassenschau“. Die seit Jahren durch ihre immer gigantischer werdenden Theaterspektakel bekannte Spielgruppe hat für ihre nächtliche Show einen eigenen künstlichen See angelegt. Dieser befindet sich in einer Kiesgrube in Würenlos zwischen Baden und Zürich, ist rund 2500 m2 gross und 4 Meter tief. Eigentlich hätte die künstliche Insel an einer der Arteplagen der EXPO.02 gebaut werden sollen. Doch mit dem Weggang der künstlerischen Leiterin Pipilotti Rist wurde das Projekt zu lange zurück gestellt. Schliesslich entschied sich die Gruppe, einen eigenen Standort zu suchen und fand ihn zusammen mit den Besitzern der Grube und unbürokratischen Kantonsbehörden. Die Show nennt sich „AKUA“ und handelt von einem Drittklass-Orchester, das wegen seiner schlechten Leistungen, die Gruppe will einfach nicht üben, vom Kapitän des Kreuzfahrtschiffes kurzerhand bei einer alten Bohrinsel ausgesetzt wird. Nun müssen sie mit all ihren Intrigen, Romanzen und Konflikten auf engstem Raum zusammen leben und auf Rettung hoffen. Dabei bedienen sie sich nicht nur der Schauspielkunst, sondern auch der Akrobatik und der Equilibristik. Stunts haben ebenso Platz wie Gesang und eine Liveband. Und schliesslich sind da noch die technischen Aufwändungen, die jedes Action-Kino vor Neid erblassen lassen. Ein Theaterspektakel der Superlative. Zehntausende von Besuchern haben die Aufführungen bis jetzt gesehen. Wegen des grossen Erfolges wird das Stück auch im nächsten Jahr weitergeführt. (Infos über www.akua.ch)
Die Schweizerische Landesausstellung EXPO.02 in Biel, Murten, Neuenburg und Yverdon ist zu Ende. Der Zuschauer-Erfolg ist nicht überwältigend, wenn auch die zukunftsweisenden Gebäude durchaus einen Besuch gerechtfertigt hätten: Eine künstliche Wolke in Yverdon, der Monolith des Stararchitekten Jean Nouvel in Murten, der Klangturm in Biel, das Palais de l’Equilibre oder die Kieselsteine im künstlichen Schilf von Neuenburg, vieles aufs Wasser hinaus gebaut, was eine spezielle Ambience erzeugte. Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland sind an verschiedensten Orten zu ihren Auftritten gekommen. Doch kaum jemand ist wegen eines Gastspiels zur EXPO gegangen. Man hat eben konsumiert, wenn man dort war, oder auch nicht. (Infos: www.expo02.ch)
In Winterthur ist das Casino-Theater als Unternehmen von Schweizer Künstlern eröffnet worden. Am 1. Juni wurde dort der Salzburger Stier verliehen. Besser gesagt, die Salzburger Stiere, denn die Preisträger kommen ja jeweils aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Frank Markus Barwasser (und hier kriege ich den Link zum Wasser wieder) hat als Erwin Pelzig das Schweizer Publikum begeistert. Als Alltagsphilosoph und Erforscher seiner eigenen Hirnbahnen hat er so viel Menschlichkeit auf die Bühne gezaubert, dass Menschen ihm noch lange hätten zuhören mögen. Auch das Schweizer Ensemble, das Pfannestil Chammer Sexdeet, wusste zu begeistern. Selten wird dem gewöhnlichen Alltag so viel Poesie abgerungen wie in den heiteren Liedern der Gruppe, welche seit 12 Jahren die Kabarett- und Kleinkunstszene der Schweiz bereist. Etwas mehr Mühe mit dem Schweizer Publikum bekundeten die beiden Zyniker Stermann & Grissemann aus Österreich. Ihre schrägen Texte und manchmal recht giftigen und deftigen Sprüche schockierten die Zuschauer zuweilen dermassen, dass sie nicht wussten, ob sie nun Beifall klatschen oder pfeifen sollen. Als spezielle Gäste waren Matthias Deutschmann, Ferruccio Cainero, Mölä & Stahli (welche sich nun trennen) und Jürg Kienberger zu sehen und zu hören. (Infos: www.salzburgerstier.ch)
Die allerorts beliebten Acapickels, früher die einzig wahre Hard-Chor-Band, heute die einzig wahre Girl-Group, feiern ihr 10-jähriges Jubiläum. Im Zürcher Theater Stadthof 11 luden sie vom September bis November zum skandalträchtigen Jubiläumsprogramm, wie sie es selber bezeichnen. Enthüllungen haben sie angekündigt, sie, die Göttinnen der Nacht, welche längst auf dem Gipfel des Kleinkunst-Olymps stehen. Gemeint ist ihre Herkunft: Barbara aus der kuhfladenbedeckten schwäbischen Alb, Juliette aus der miefigen Garderobe des Moulin Rouge, Lotti aus dem dunkelsten Emmental und Helga vom heissen Pflaster des St. Galler Stadttheaters. Leider ist die Veranstaltungen nicht für eine Tournee gedacht. (Infos: www.acapickels.ch)
Mit einem hervorragenden neuen Programm ist das Cabaret ScherzGrenze, ein Laienensemble aus Murten, unterwegs. In „Viel Lern um nichts“ berichtet die Gruppe live aus der Entbildungsstation Schule. Böse Zungen behaupten, dass sich Lehrkräfte in all den Sketches, Couplets und witzigen Nummern total wiedererkennen. (Infos: www.scherzgrenze.ch)
Gardi Hutter wird im Jahre 2003 ein neues Stück auf die Bühne bringen: „Die Souffleuse“. Michaela Maria Drux zeigt ganz neu „Kabarette sich wer kann“, ein freches Zeitgeistprogramm. Und schliesslich kann man auch die Berner (also sehr langsamen, aber auch witzigen) Jongleure Flügzüg für ein ganz neues Galaprogramm von 30 Minuten buchen. (Infos: www.kuenstlerkontakt.ch)
Redaktion: Peter Niklaus
Dezember 2002
29.11.-5.1. Zürich, Zirkus Salto Natale: „Chamäleon“
www.saltonatale.ch
6.-15. Dez. Arosa, 15. Arosa Humor-Festival,
www.arosa.ch/frames /events.htm
April 2003
24. Thun, Verleihung des Schweizerischen Kleinkunstpreises
„Der goldene Thunfisch“ www.ktv.ch
24.-27. Thun, Künstlerbörse
Mai 2003
15.-24. Zürich, 10. Spektakuli im Miller’s Studio www.millers-
studio.ch
21.-25. Bern, SPOT, 21. Schweizer Theaterfestival für junges
Publikum, www.astej.ch
21.-25. Olten, 16. OLTNER CABARET-TAGE, Satire-Festival
Verleihung des Schweizerischen Kabarett-Preises,
www.kabarett.ch
2002-12-15 | Nr. 37 | Weitere Artikel von: Peter Niklaus