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    SAARLAND SOMMER UND HERBST

    Echt pfannig!

    Comedy dominiert aber Kabarett gewinnt St. Ingberter Kleinkunstpreis

    Sie ist „erwachsen geworden“, die St. Ingberter Pfanne. Zum 18. Mal wetteiferten Comedy- und Kabarettvertreter um den begehrten Kleinkunstpreis der saarländischen Mittelstadt. Zwei Hauptpreise gab es, und obwohl diesmal etliche gestandene Vollprofis angetreten waren, gingen die Pfannen eher an die Außenseiter, so zum Beispiel an den bayrischen Solokünstler Claus von Wagner. Er war die eigentliche Überraschung. Zwar erst 24 Jahre jung, überzeugte er besonders durch die erstaunliche Lässigkeit, mit der er biografisches, fiktives und aktuelles zu verbinden wußte. Sein Charme und seine natürlichen Präsenz überzeugten nicht nur die Jury, sondern auch das Publikum, so dass Wagner nicht nur einen Hauptpreis sondern auch noch den Publikumspreis mit nachhause nehmen konnte.

    Der andere Hauptpreis ging – ebenfalls völlig zu Recht – an das Kölner Kabarettduo Seibel und Wohlenberg, ein solides Duo, das wohl bisher nur Insidern ein Begriff gewesen ist und aktuelles und abwechslungsreiches Kabarett bot. Nur eine Vermutung: obwohl auch in St. Ingbert viel Comedy auf dem Programm stand, wollte die Jury bewusst Kabarett auszeichnen. Bei der gebotenen Qualität eine einfache und richtige Entscheidung – und nur, um nicht missverstanden zu werden: natürlich beherrscht die Comedy den Markt und ist deshalb auch in St. Ingbert stark vertreten. Dagegen gibt es auch nichts einzuwenden. Und natürlich stimmte auch hier die Qualität! Aber das Kabarett hatte nun mal die Nase vorn! Und vielleicht resultiert daraus ja ein Nachahmeffekt...

    Rund 5000 Zuschauer verfolgten den Wettbewerb in diesem Jahr. Rund 130 Bewerber aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, erstmals auch aus den Niederlanden, zeigen: Die Pfanne ist wirklich erwachsen. Und nach der Pfanne ist vor der Pfanne, sie geht jetzt stark auf die neunzehn zu!

    Was gab’s noch im kleinsten Flächenbundesland der Republik? Reichlich Querelen oder sagen wir lieber Irritationen um das Festival „Perspectives“, das als Lieblingskind des Saarbrücker Kulturdezernenten gilt. Warum, weiß er alleine, ist die von Charlie Bick organisierte Sommerszene mit europäischem Straßentheater beim Publikum doch eindeutig das beliebtere Festival. Da gibt es „Kunst (fast immer) umsunst“, leider auch mit fast nur marginaler Unterstützung aus dem kommunalen Kulturgeldsäckel.

    Also, zuerst die „Perspectives!“ Die hießen diesmal – zum 25. Geburtstag – „Perspectives Nouvelles“, weil auch die Franzosen im Departement Moselle mitmachten, was zusätzliches Geld in die Kassen und damit ein umfangreicheres Programm brachte. Die Spielorte waren originell: Eine alte Industriehalle, ein Zivilschutzbunker, der Keller eines Museums, ein Straßen-Café, ein ehemaliges Schwimmbad. Und nicht mehr nur Straßentheater stand im Mittelpunkt, sondern auch aktuelle Strömungen im deutschen und französischen Sprech- und Tanztheater wurden vorgestellt.

    Es gab Peter Brooks "Hamlet"-Inszenierung mit den Bouffes du Nord als auch Thomas Ostermeiers Berliner Schaubühne mit "Supermarket" und im Bereich Tanztheater "Allegoria Stanza", die jüngste Choreographie des in Frankreich geborenen Abou Lagraa. Große Namen  - ein großes Programm. Allerdings zerfaserten die Perspectives dadurch auch etwas, denn die frühere Konzentration auf französisches Theater machte das „Festival Perspectives“ zu einem speziellen. Auf 2003 darf man dennoch gespannt sein, womit wir beim Punkt Irritation wären. Denn zwischenzeitlich tauchte das Gerücht auf, die Perspectives 2003 könnten ausfallen. Ausgelöst wurde die Krise durch einen überraschenden Karrieresprung Brunners nach Paris, wo er jetzt den Kulturminister berät. Heikel war nicht nur der Wechsel, sondern auch ein Defizit von rund 50000 Euro. Gut, Peanuts für eine Kulturmetropole, aber im strukturschwachen Saarbrücken verdammt viel Geld! Doch mittlerweile hat Brunner zugesagt auch die Perspectives 2003 verantwortlich zu gestalten. Ich wiederhole mich: Auf die Perspectives 2003 darf man gespannt sein.

    Apropos Brunner: Sein Weggang heißt auch, dass das Le Carreau in Forbach eine neue Leitung sucht. Klar ist aber schon "Le même esprit!" Also den selben Geist wollen sie bewahren, bis der neue Chef oder eine Chefin kommt. Der selbe Geist, das heißt Munterkeit, Qualitäts-Bewusstsein und Aufgeschlossenheit auch gegenüber den Bedürfnissen des deutschen Publikums. Vor Dezember wird in Sachen Brunner-Nachfolge keine Entscheidung erwartet. Auch hier darf man gespannt sein...

    Und dann war da noch die Sommerszene und ihr einziger natürlicher Feind: das Wetter! Viele verregnete Aufführungen – aber dennoch ließ sich das Publikum die Lust am Programm nicht verhageln. Im Mittelpunkt standen in diesem Jahr die beiden größten deutschen Straßentheaterproduktionen. Zur Eröffnung verwandelte Pan Optikum mit „Il Corso“ den Saarbrücker Schlossplatz in eine riesige Theaterkulisse und verzauberte das Publikum mit unvergesslichen Feuerbildern. Dabei bewegten sich mobile Großobjekte über die von stationären Feuerskulpturen eingerahmte Spielfläche und die Zuschauer waren immer inmitten des Geschehens. So wurde die traumhafte Gedankenwelt eines Dichters sichtbar, denn Grundlage des Spektakels ist Pablo Nerudas "Buch der Fragen".

    Krönend-feuchter Abschluss der Sommerszene war das Theater Titanick, das mit gigantischen Maschinenkonstruktionen und atemberaubenden Spezialeffekten Bau und Untergang des Luxusdampfers „Titanic“ in Szene setzte. Mal ehrlich: Da wäre doch strahlender Sonnenschein wirklich deplaziert gewesen.

    Auch für die Sommerszene gilt. Man darf auf 2003... aber irgendwie wiederhole ich mich.

     Redaktion: Christian Bauer 

    2002-12-15 | Nr. 37 | Weitere Artikel von: Christian Bauer





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