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    Aus deutschen Landen...

    Ich werde oft gefragt, wie sich der Bereich des Straßentheaters im deutschen Raum entwickelt. Neben den wenigen großen Produktionen, wie wir sie von Theater Titanick, Theater antagon, N.N. Theater oder vom Wandertheater Ton und Kirschen kennen, gibt es immer wieder auch interessante und imposante kleinere Produktionen, die sich alle engagiert und mühevoll, trotz fehlender Struktur und Finanzierungsmodell auf Landes- bzw. EG-Ebene, entwickeln.

     Kontor für Kunst und KulturEinen gelungenen Sprung wagte die Gruppe Les Frites Foutues (D), die sich bisher europaweit einen Namen mit der für sie so typischen Klezmer Musik gemacht hat. Mit ihrer neuen Produktion entwickelte sie einen Walkact, in dem sechs eigenwillige Hühner und Hähne tierisch menschliche Szenen zwischen und mit dem Publikum, mit und ohne Musik, spielen. Beeindruckend ist die exakte Bewegungs- als auch Stimmenimitation, die ihre Abrundung zur Perfektion durch die äußerst beeindruckenden Kostüme findet. Die Hühnergeschichten der Produktion “cock tales” wird man sich im kommenden Jahr wohl noch des Öfteren erzählen.

    Das A und P Theater (D) hat mit seinem Stück “Der Straußenreiter” einen Stelzenwalkact entwickelt, der bereits in europäischen Nachbarländern seine Erfolge feierte und auch in Deutschland mehr Beachtung verdient hätte. Zwei lebensgroße Strauße schreiten mit ihren Reitern durch die von den Zuschauer/innen gebildete Gasse. Die Tiere verblüffend echt, und man kann es den Leuten auf den Gesichtern ablesen, wie sie versuchen, diese mehrwürdige Verbindung von Mensch und Tier zu lösen. Nicht weniger imposant die Reiter, die sich nach genauerem Hinsehen als Sherlock Holmes und Dr. Watson identifizieren lassen und dem Geschehen somit etwas Geheimnisvolles und Abenteuerliches verleihen.

    Das Theater antagon (D) setzt mit seiner Produktion “Equinox Terminal - die letzte Reise” eine Geschichte von einer Gruppe, die aus einer perspektivlosen Zivilisation flieht und sich auf die Suche nach neuen Lebensformen für die Zuzkunft macht, um. Akteure klettern auf Türme, ein übermächtiger Maschinenmensch als auch eine rotierende Feuerkugel kommen zum Auftritt. Für die Theatergruppe bereits charakteristisch, untermalt Live-Musik die einzelnen Stationen der Figuren. Eine interessante Hintergrundinformation: Das Theaterstück ist zugleich Reisebericht, denn antagon hat die Erfahrungen einer zweimonatigen Tournee durch Brasilien, Equador, Kolumbien und Venezuela ebenso wie die Zusammenarbeit mit südamerikanischen Theatergruppen in diesem Stück verarbeitet.

    Von Feuer geht Faszination aus, und Feuer war auch schon immer ein fester Bestandteil in vielzähligen, großen Straßentheaterproduktionen. Nun präsentierte das Theater Unglaublich (D) das Feuerspektakel “Phönix”. Diese Produktion verbindet Artistik, Pyrotechnik und Objektbau, um so bewegte Flammenbilder herzustellen, die sich in musikalischer Abstimmung zu einer Feuerphantasie, nämlich zum Wundervogel Phönix, entwickeln. Es entsteht eine dichte, fast magische Atmosphäre, die von der Bildkraft der Feuerkreise gespeist wird. Aber nicht nur das Spektakel an sich lockt die Zuschauer/innen, auch der Aufbau der Feuerskulpturen, deren Formen urzeitliche Pflanzen- und Tiersymbole erkennen lassen, macht aufmerksam und neugierig bevor die Dunkelheit hereinbricht.

    Im Artistikbereich mit der Spezialisierung Akrobatik ist das Wall StreetTheatre (D) anzusiedeln, das seine Programme rund um die beiden perfekt adrett gekleideten, mit Pomade, Hornbrille und Sockenhalter herausgeputzten Clownsfiguren Herr Schultze und Herr Schröder präsentiert. Beide Artisten halten perfekt ihre Rollen aus einer Mischung aus trockenem englichen Humor und exzentrischem Mimenspiel. Im Zusammenspiel mit dem Publikum und durch ihr Improvisationstalent beweisen sie einen ganz eigenen Stil.

    Auf das Fundament Akrobatik baut auch To be 2 (B) ihre Show auf. Hinzu kommen Disziplinen des anspruchsvollen Zirkus als auch Elemente des guten Kabaretts. Die beiden Schauspieler binden ihr Publikum soweit ein, daß es zu ernstgenommenen Akteur/innen wird. So werden einzelne Ungeübte zu verschiedenen größeren akrobatischen Figuren zusammengeschlossen.

    Die Compagnie PiR2 (F) spielt ihr Stück “Nico et Arno - Cirque de rue” auf einem kreisrunden Platz und gruppiert das Publikum um sich herum. Die Ausstattung ist minimalisch gehalten, beide verwenden bei ihrem Spiel als gegensätzliche Typen, ein Mechaniker und sein Assistent, ein Einrad, ein kleines Podest mit Treppe und ihr perfektes akrobatisches Können. Das 30-minütige Stück lebt von der Perfektion und der ständigen Bewegung.

    Die Akteure von Wall StreetTheatre, To be 2 als auch Compagnie PiR2 arbeiten im Straßentheaterbereich auf der Grundlage einer fundierten Artistenausbildung, was qualitativ spürbar ist. Alle drei Gruppen haben einen eigenen, jeweils interessanten Stil entwickelt, der beim Publikum richtig Spaß aufkommen läßt.

    Zum Schluß noch ein Tip: die Gruppe Metalovoice (F) besteht seit nunmehr vier Jahren und hatte mit ihrer ersten Indoor-Produktion “Do Hit” die Revolution im theatralischen Musiktheater eingeläutet. Die neue Outdoor-Produktion “Espece H” ist die Verschmelzung von großen Straßentheater-Inszenierungen mit der Schlaggewalt und Rythmus der Urgruppe “Les Tambours du Bronx”, wo der Ursprung der Metalovoice-Leute liegt. Wer etwas Neues in der nächsten Saison machen will, muß mit den Franzosen sein Festival bestreiten.

    Redaktion: Stephan Wittekind

    AdNr:1047 

    1998-12-15 | Nr. 21 | Weitere Artikel von: Stephan Wittekind





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